Vertrauen in die Politik – Notwendigkeit oder Luxus?

Unsere arbeitsteilige und komplexe Gesellschaft basiert auf Vertrauen. Wir müssen darauf vertrauen, dass Supermärkte und Restaurants frische Lebensmittel anbieten. Wir müssen darauf vertrauen, dass in unserer Kleidung und den Produkten des täglichen Bedarfs keine schädlichen Stoffe enthalten sind. Wir müssen darauf vertrauen, dass Journalistinnen und Journalisten ihre Beiträge gewissenhaft recherchieren. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Ohne Vertrauen in dritte Personen wäre unser Handlungsspielraum enorm eingeschränkt und wir müssten als Selbstversorger durch das Leben gehen.

Doch was bedeutet es eigentlich, einem anderen Menschen zu vertrauen? Mit sozialem Vertrauen meint man eine Beziehung zwischen A und B, bei der A die Kontrolle über bestimmte Bereiche an B abgibt. Wenn A beschließt, B zu vertrauen, dann geht sie davon aus, dass B ihre Interessen nicht verletzen wird. Sie hat aber keine Möglichkeiten, das Verhalten von B zu beeinflussen, zu kontrollieren und kennt auch seine vollen Absichten nicht. Vertrauen ist somit immer mit einem gewissen Risiko verbunden – im Austausch für mehr Möglichkeiten (Putnam 1993).

Politisches Vertrauen

Unter diesen Voraussetzungen ist die Verbindung von Vertrauen und Politik keine einfache. Das Wesen der Politikgestaltung ist es, dass unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen und Kompromisse ausgehandelt werden müssen. Dazu kommt, dass die Bürgerinnen und Bürger die Personen, denen sie politisches Vertrauen schenken, meist nicht persönlich kennen. Dennoch wird in repräsentativen Demokratien wie Österreich Politikgestaltung vom Volk auf politische Parteien übertragen.

Die komplexe Beziehung von Vertrauen und Politik ist bereits bei der Entstehung liberaler Demokratien erkennbar. Der Aufbau und die Struktur unseres demokratischen Systems fußt auf einem Misstrauen gegenüber politischen Eliten. Die Machtverteilung zwischen den einzelnen Institutionen und die bestehenden Kontroll- und Aufsichtsfunktionen sind Ausdruck dieses Misstrauens gegenüber zu viel konzentrierter Macht. Die Kenntnis der Institutionen soll dazu beitragen, dass politischen Amtsträgern, aber auch anderen Menschen, die in demselben System leben und an denselben Wahlen teilnehmen, vertraut wird (Warren 1999).

Vertrauen und Politik in Österreich  

Wie ist es unter diesen Bedingungen mit dem Vertrauen der Menschen in Österreich in die Politik bestellt? Das Demokratieradar zeigt, dass 14 Prozent großes und 53 Prozent zumindest etwas Vertrauen in die Politik haben. Auf der anderen Seite geben 24 Prozent an, der Politik wenig zu vertrauen und 7 Prozent haben gar kein Vertrauen. Es ist nicht möglich, hier eine Marke festzulegen, ab der eine Krise der Politik oder gar der Demokratie erkennbar ist. Viel wichtiger ist es zu analysieren, ob spezielle Gruppen sich von der Politik abwenden. Es sind insbesondere Menschen zwischen 20 und 29 Jahren, die der Politik unterdurchschnittlich vertrauen. Außerdem zeigt sich, dass jene Personen, die sich wenig über Politik informieren, ihr auch weniger Vertrauen schenken. Interessant ist letztlich auch der Zusammenhang zwischen Parteipräferenz und Vertrauen in die Politik, denn gerade Befragte, die den beiden Regierungsparteien ÖVP und FPÖ nahe stehen, schenken der Politik im allgemeinen überdurchschnittlich großes Vertrauen.

 

Vertrauen und Teilnahme an NRW 2017

Anmerkung: Lesebeispiel: Von den Menschen, die großes Vertrauen in die Politik haben, sagen 90 Prozent, dass sie an der Nationalratswahl 2017 teilgenommen haben. 9 Prozent haben das nicht. Die Fragestellungen im Wortlaut waren „Wenn man über Politik spricht, dann ja oft auch darüber, ob man Vertrauen in die Politik hat. Haben Sie in die Politik in Österreich alles in allem…“ sowie “ Haben Sie an der Nationalratswahl 2017 teilgenommen?“; Angaben in Prozent; N=4.838; Rest auf 100=keine Angabe. Grafik: Flooh Perlot Quelle: Demokratieradar Welle 1

 

Warum ist das relevant?

Vertrauen ist eine wesentliche Komponente im politischen System, auch wenn sie nicht gleichgesetzt werden darf mit einem blinden Vertrauen eines schlafenden Volkes gegenüber einer mächtigen, politischen Elite. Es geht nicht darum, dass der/die Einzelne nicht wachsam oder kritisch ist, sondern darum grundsätzlich zu vertrauen und sich zu beteiligen. Denn eines zeigen die Daten des Demokratieradars auch: Wer nicht vertraut nimmt auch wesentlich seltener an Wahlen teil (siehe Abbildung). Wer nicht wählen geht, verschenkt seine Stimme und wird schlimmstenfalls nicht repräsentiert.

 

Dieser Beitrag ist eine erweiterte und überarbeitete Version des Beitrags von Katrin Praprotnik für die 34. Internationalen Sommergespräche der Waldviertler Akademie.

Literatur
Putnam, Robert D. (1993). Making Democracy Work. Civic Traditions in Modern Italy, Princeton University Press, Princeton.
Warren, Mark E. (Hg.) (1999). Democracy and Trust, Cambridge University Press, Cambridge.