Demokratie – ein Gemütszustand?
Das Vertrauen in die Demokratie sowie die Zufriedenheit mit ihrem Funktionieren schwanken in den Statistiken. Das muss nicht immer Grund zur Sorge sein, sondern gehört vielmehr zu dem, was Demokratie unter anderem ausmacht: freier Wille und freie Meinungsäußerung.
Fragt man die österreichische Bevölkerung, ob die Demokratie die beste aktuelle Regierungsform sei, ist die Zustimmung derzeit relativ hoch, auch wenn sichtbar ist, dass sich die Meinung in Richtung vermehrter Skepsis bewegt (siehe Blogeintrag vom 30. April 2018). Stellt man die Frage nach der Zufriedenheit mit der konkreten Gestaltung des demokratischen Prozesses in Österreich, ist die Skepsis noch ein wenig größer. So zeigt der Eurobarometer 86, dass 64 Prozent der ÖsterreicherInnen im Jahr 2016 „alles in allem gesehen mit der Art und Weise“, wie Demokratie in Österreich funktioniert, zufrieden waren. In Dänemark waren es damals 91 Prozent, in Griechenland nur 21, was in Hinblick auf die Bewältigung der Schuldenkrise wenig überraschend scheint; Deutschland lag mit 69 Prozent ähnlich wie Österreich, der EU-Durchschnitt betrug 53 Prozent. Ein wenig positiver – ganz besonders in Bezug auf die österreichischen Daten – war das Ergebnis bei der Eurobarometer-Umfrage 89 im März 2018.
Frage: “Sind Sie mit der Art und Weise. wie die Demokratie in (unserem Land) funktioniert, alles in allem gesehen zufrieden?”
EU-weit gesehen liegt Österreich demnach (mit 80 Prozent) bei den zufriedensten Nationen, was das Funktionieren der Demokratie im eigenen Land betrifft. Warum wird dann so viel von einer Demokratiekrise gesprochen? Eine vom Zukunftsfonds der Republik in Auftrag gegebene Umfrage des Meinungsforschungsinstituts SORA und des Vereins zur wissenschaftlichen Aufarbeitung von Zeitgeschichte zeigt insbesondere eine Kluft zwischen dem, wie akzeptiert Demokratie als Regierungsform ist und wie zufrieden man mit ihrem Funktionieren ist. Demnach waren im Jahr 2017 lediglich 32 Prozent der 1.000 Befragten mit dem Funktionieren der Demokratie in Österreich sehr zufrieden/zufrieden, während es im Vergleichsjahr 2007 noch 44 Prozent waren. (Zählt man die relativ zufriedenen Personen hinzu, ergeben sich prozentuell ähnliche Ergebnisse wie beim Eurobarometer.)
Was steckt folglich hinter dem Krisengerede?
Zunächst vor allem ein Krisengefühl, das sich in den Medien (insbesondere in den vermeintlich sozialen Medien) immer wieder zu bestätigen scheint. Dass Medienberichte insgesamt eher zu Krisensituationen als zu positiven Entwicklungen verfasst werden, dürfte das Seine dazu tun, doch ergibt sich der – meist negative – Eindruck aus der vielzitierten Echokammer, dem Verweilen im eigenen Diskurs, weil man stets die gleichen Medien konsumiert, von Gleichdenkenden umgeben ist und aufgrund der Algorithmen bei Facebook und Co. hauptsächlich das zu sehen bekommt, was der eigenen Meinung entspricht. Man ist dann schnell bei dem, was man denken will und meint, denken zu sollen. Laurenz Ennser-Jedenastik demonstrierte im März 2018 recht deutlich, was zudem ausschlaggebend für die eigene (Un-)Zufriedenheit mit der aktuellen demokratiepolitischen Situation sein kann: der Stand jener Partei, die man gewählt hat oder der man nahe steht. Wenn er Recht hat, hängen die Zufriedenheit sowie das Vertrauen in die Demokratie damit zusammen, wie sehr man sich in der aktuellen Politik vertreten fühlt.
Dementsprechend gehört eine gewisse Unzufriedenheit ebenso zur Demokratie als Staatsform wie die Zufriedenheit. Beide schwanken mit der empfundenen Regierungsarbeit, hängen von Alltagsverfassungen sowie den aktuellen Nachrichten ab, gewiss aber auch mit der allgemeinen persönlichen Zufriedenheit. Hier befindet sich der nächste entscheidende Faktor: Die selbst empfundene Krise der Demokratie entspricht häufig einem Gemütszustand, auch wenn dieser momentan durchaus von konkreten demokratiepolitischen Veränderungen in zahlreichen Ländern bestätigt wird.