Demokratie als beste Regierungsform?

Studien und Massenmedien berichten immer wieder von einer Krise der Demokratie. Wie aber steht die Bevölkerung zu dieser Regierungsform, die in Europa so selbstverständlich scheint und doch immer wieder kritisiert wird? Aktuelle Umfragen geben eine Antwort.

Churchills berühmter Sager von der Demokratie als schlechtester und doch bester Staatsform („Man hat gesagt, die Demokratie sei die schlechteste Regierungsform – abgesehen von all den anderen, die dann und wann ausprobiert worden sind.“ – Churchill 1947) findet in Österreich nach wie vor große Zustimmung, wenngleich mit ein paar Einschränkungen. Vergleicht man bundesweite Umfrageergebnisse vor der Nationalratswahl 2017 mit jenen aus vier Bundesländern vor deren Landtagswahlen im Jahr 2018, ergibt sich bei der Aussage, dass die Demokratie „besser als jede andere Regierungsform“ sei, folgendes Bild an Zustimmung und Ablehnung:

Grafik: Daniela Ingruber; Quelle: ISA/SORA Wahltagsbefragung im Auftrag des ORF. Anmerkung: w.n./k.A. = weiß nicht/keine Angabe; telefonische Befragung; max. Schwankungsbreite +/- 2,8 Prozentpunkte; Bund: Feldzeit 12. bis 15.10.2017, n=1.219; Niederösterreich: Feldzeit 25. bis 28.1.2018, n=1.208; Tirol: Feldzeit 22. bis 25.2.2018, n=1.1210; Kärnten: Feldzeit 1. bis 4.3.2018, n=1.224; Salzburg: Feldzeit 19. bis 22.2018, n=1.231.

Wer sich aktuell um das Image der Demokratie Sorgen macht, darf aufatmen, denn generell sind 94 Prozent der österreichischen Bevölkerung der Ansicht, dass die Demokratie die beste Regierungsform ist (72 Prozent stimmen der Aussage sehr zu, 22 Prozent ziemlich). Bei den Umfragen in den Bundesländern zeigt sich ein ähnliches Bild: Jeweils 91 bis 93 Prozent der Befragten sind in Niederösterreich, Tirol, Kärnten und Salzburg dieser Meinung.

Bei näherer Betrachtung der Einzelergebnisse stechen zwei Aspekte heraus: Einerseits gibt es zwischen Männern und Frauen kleine aber doch deutliche Meinungsunterschiede (so sind die Männer allgemein, aber insbesondere jüngere Männer durchwegs demokratieskeptischer als Frauen), andererseits denken die WählerInnen verschiedener Parteien diesbezüglich noch weit unterschiedlicher. So stimmen SPÖ-WählerInnen in den vier Bundesländern dem Churchill-Sager besonders häufig sehr zu (NÖ 82 Prozent, T 80 Prozent, K 84 Prozent und S 77 Prozent). Nur wenig darunter liegen die Zustimmungswerte der ÖVP-WählerInnen (NÖ 78 Prozent, T 71 Prozent, K 63 Prozent und S 68 Prozent). Ganz anders hingegen sieht das bei der FPÖ aus (NÖ 34 Prozent, T 42 Prozent, K 37 Prozent und S 35 Prozent).

Exemplarisch zum Vergleich Tirol und Salzburg:

Quelle: ISA/SORA Wahltagsbefragung im Auftrag des ORF. Anmerkung: w.n./k.A. = weiß nicht/keine Angabe; telefonische Befragung; max. Schwankungsbreite +/- 2,8 Prozentpunkte; Tirol: Feldzeit 22. bis 25.2.2018, n=1.1210.

Quelle: ISA/SORA Wahltagsbefragung im Auftrag des ORF. Anmerkung: w.n./k.A. = weiß nicht/keine Angabe; telefonische Befragung; max. Schwankungsbreite +/- 2,8 Prozentpunkte; Salzburg: Feldzeit 19. bis 22.2018, n=1.231.

Übrigens wurde nicht gefragt, welche Regierungsform den Menschen lieber wäre, sodass demokratieskeptischere Personen sich diesbezüglich nicht festlegen mussten. Die Qualität einer Demokratie und ihre Spielregeln wechseln naturgemäß, weil Demokratie nur in ihrer lebendigen Form existieren kann und selbstverständlich Schwankungen und Veränderungen unterworfen ist. Das muss nicht unbedingt etwas daran ändern, dass Menschen sie als beste Regierungsform sehen, durchaus aber schwächt es zuweilen das Vertrauen in die Politik bzw. in die PolitikerInnen. Dazu gab es in der gleichen Umfrage in Kärnten, Tirol und Niederösterreich eine weitere Aussage, die die Befragten ablehnen oder ihr zustimmen konnten. Gefragt wurde nach dem Vertrauen in die Lösungskompetenz der Politik ihres Bundeslandes „für kommende Herausforderungen“: In Niederösterreich stimmten hier 73 Prozent sehr zu, in Tirol 73 Prozent und in Kärnten 76 Prozent.

Quelle: ISA/SORA Wahltagsbefragung im Auftrag des ORF. Anmerkung: w.n./k.A. = weiß nicht/keine Angabe; telefonische Befragung; max. Schwankungsbreite +/- 2,8 Prozentpunkte; Niederösterreich: Feldzeit 25. bis 28.1.2018, n=1.208; Tirol: Feldzeit 22. bis 25.2.2018, n=1.1210; Kärnten: Feldzeit 1. bis 4.3.2018, n=1.224.

Auch diese Zahlen dürften optimistisch stimmen, wären da nicht deutliche Auffassungsunterschiede zwischen den WählerInnen verschiedener Parteien, wobei hinzugefügt werden muss, dass die WählerInnen jener Partei, die den/die Landeshauptmann/-frau stellt, jeweils am intensivsten an die Lösungskompetenz der Politik glauben. Während somit in Kärnten 58 Prozent der SPÖ-WählerInnen sehr an die Lösungskompetenz der Politik glauben, tun es bei der ÖVP bloß 30 Prozent und bei den FPÖ-WählerInnen nur 22 Prozent. In Niederösterreich ist die Verteilung dementsprechend nders: Kommt man bei den ÖVP-WählerInnen auf 62 Prozent „sehr“-Zustimmung, bei den SPÖ- und FPÖ-WählerInnen hingegen nur auf je 25 Prozent. In Tirol liegt das Vertrauen in die Lösungskompetenz bei der ÖVP auf 55 Prozent Zustimmung, bei den FPÖ-WählerInnen bei 26 Prozent und bei der SPÖ auf lediglich 23 Prozent.

Dies muss nicht unbedingt eine tatsächliche Vertrauenskrise der Politik bedeuten, sondern kann eine Momentaufnahme sein, die sich wieder verändert. Aus positiver Sichtweise kann man feststellen, dass das Vertrauen in die Politik auch in einer Zeit, in der sehr viel von Krisen gesprochen wird, relativ hoch ist. Allerdings ist das Vertrauen, dass jene Regierungsform, mit der man lebt, Antworten auf anstehende Herausforderungen geben kann, die Voraussetzung dafür, dass man dieser Regierungsform zutraut, die richtige zu sein. Was sich daher aus all diesen Zahlen lesen lässt, ist jene Skepsis, die sich derzeit auch außerhalb Österreichs wie ein Schleier über die Europäische Union zu legen scheint: eine diffuse Unzufriedenheit und Angst. Das Gefährliche daran ist die potentielle Offenheit für Polemik und Vorurteile.

Quelle Statistiken ISA.