Die Rolle des Bundespräsidenten in der Gesetzgebung

An der Entstehung eines Gesetzes oder Staatsvertrages sind viele unterschiedliche Akteure beteiligt. Neben der Bundesregierung und dem Parlament, haben beispielsweise auch Interessengruppen oder Einzelpersonen die Möglichkeit, ihre Ideen in Begutachtungsprozessen einzubringen. Während deren Mitwirkung aber nicht bindend ist, kann der Bundespräsident im Extremfall Gesetze sogar blockieren. Genau das ist geschehen als Bundespräsident Alexander Van der Bellen dem Ceta-Staatsvertrag seine Unterschrift verweigerte – ein Einzelfall oder Anzeichen eines neuen Rollenverständnisses?

Die Ereignisse im Detail: In der vergangenen Woche entschied der Bundespräsident das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) derzeit nicht zu unterschreiben. Ohne seine Beurkundung kann das Gesetz damit nicht in Kraft treten. Van der Bellen begründet sein Verhalten mit dem laufenden Verfahren am Europäischen Gerichtshof, das die Vereinbarkeit der geplanten Schiedsgerichte mit dem Europäischen Recht prüft. Seine Entscheidung basiert außerdem auf einem Gutachten des Verfassungsrechtlers Ludwig Adamovich, der die Verweigerung der Unterschrift durch den Bundespräsidenten nicht als problematisch einstuft.

Besonderheit der Geschichte

Diese Vorgehensweise ist eine Besonderheit in der Geschichte der Zweiten Republik. Erst einmal ist es bislang vorgekommen, dass ein Staatsoberhaupt einem Gesetz (oder auch einem Staatsvertrag wie im aktuellen Fall), das von beiden Parlamentskammern abgesegnet wurde, die Unterschrift verweigert hat. Im Jänner 2008 unterließ der damalige Bundespräsidenten Heinz Fischer die Beurkundung der Novelle zur Gewerbeordnung. Grund dafür war eine im Gesetz enthaltene Strafbestimmung, die rückwirkend in Kraft getreten wäre. Der Bundespräsident entschied, dass eine solche Bestimmung gegen die im Verfassungsrang stehende Europäische Menschenrechtskonvention ist. Das Gesetz sei daher nicht verfassungsmäßig zustande gekommen.

Einer ähnlichen Situation, die allerdings einen anderen Ausgang fand, stand auch Fischers Vorgänger im Amt, Thomas Klestil, gegenüber. Auch ihm wurde mit dem Blutsicherheitsgesetz ein Gesetz zur Unterschrift vorgelegt, welches eine verfassungswidrige Strafbestimmung beinhaltete. Klestil unterzeichnete damals das Gesetz und verwies darauf, dass er davon ausgehe, dass es zu keiner Anwendung einer rückwirkenden Sanktion kommen werde (womit er auch Recht behielt).

Die Rechtslage

Die Rolle des Bundespräsidenten im Gesetzgebungsprozess wird in Artikel 47 Abs. 1 B-VG des Bundesverfassungsgesetzesbeschrieben. Darin heißt es, dass der Bundespräsident für die Beurkundung des verfassungsmäßigen Zustandekommens von Bundesgesetzen zuständig ist. Ein Gesetz wäre beispielsweise nicht verfassungskonform zustande gekommen, wenn der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht korrekt eingehalten worden wäre und beispielsweise ein Akteur wie etwa der Bundesrat trotz Mitwirkungsrecht nicht eingebunden wurde. Wie konnte es dann in ähnlichen Situationen zu unterschiedlichen Handlungen durch die Bundespräsidenten kommen? In den Fällen wurden die festgeschriebenen Kompetenzen unterschiedlich interpretiert. Während Thomas Klestil sich auf das rein formale verfassungsmäßige Zustandekommen des Gesetzes konzentriert hatte, wurde zu Zeiten Fischers, ebenfalls bereits mit der Linie Ludwig Adamovichs, argumentiert, dass es unmöglich sei formelle und materielle Aspekte bei der Prüfung zu trennen. Soll heißen, dass ein offensichtlicher verfassungsrechtlicher Fehler im Inhalt auch durch den Bundespräsident verhindert werden kann.

Anzeichen eines neuen Rollenverständnisses?

Die angeführten Beispiele sind daher weniger Anzeichen eines aktiveren und politisch mächtigeren Bundespräsidenten, als vielmehr Ausdruck dafür, dass auch die festgeschriebenen Regeln der Bundesverfassung der Auslegung bedürfen. Die politischen Konsequenzen aus der Unterschriftsverweigerung Van der Bellens sind im aktuellen Fall ebenfalls gering: Der Bundespräsident möchte umgehend unterschreiben, sobald er grünes Licht vom Europäischen Gerichtshof bekommt und da auch andere Staaten mit der Ratfizierung warten, kommt es wohl auch zu keinen zeitlichen Verzögerungen. Fällt die Entscheidung indes negativ aus, so wären auch alle bisherigen Schritte nichtig und die Verhandlungen müssten sowieso erneut starten.