Das Proporzsystem: Wenn (fast) alle in der Regierung sitzen
Am 29. September wählt Oberösterreich einen neuen Landtag und bekommt damit auch eine neue Landesregierung. Dank des Proporzsystems werden darin wieder (fast) alle Parteien vertreten sein. Doch wie funktioniert das eigentlich?
Die oberösterreichische Landesverfassung gibt die Regelung für die Ernennung der neuen Landesregierung vor. Zunächst wählt der neue Landtag mit einfacher Stimmenmehrheit einen neuen Landeshauptmann oder eine neue Landeshauptfrau. Anschließend greift das Verhältniswahlrecht nach d’Hondt, das die Verteilung der übrigen Sitze in der Landesregierung berechnet.
Man schreibt dazu die Mandatszahlen der im Landtag vertretenen Parteien der Größe nach nebeneinander auf. Dann beginnt das Dividieren: In der darunterliegenden Zeile dividiert man die einzelnen Mandatszahlen durch 2, in der nächsten Zeile durch 3 und anschließend durch 4, durch 5 und so weiter. Aus diesen Zahlenkolonnen sucht man die achtgrößte Zahl. Warum die Achtgrößte? Weil laut Landesverfassung acht Landesrät*innen bestimmt werden müssen (ohne Landeshauptmann bzw. Landeshauptfrau). Diese achtgrößte Zahl ist die sogenannte Wahlzahl. Jede Partei erhält nun so viele Sitze in der Landesregierung, wie diese Wahlzahl in ihrer Mandatszahl enthalten ist.
Die Grafik zeichnet diesen Prozess anhand des Wahlergebnisses von 2015 nach. Damals erhielt zum Beispiel die ÖVP 21 Sitze. Die Wahlzahl war die 6 und somit standen der ÖVP 21 : 6 = 3 Sitze in der Landesregierung zu (der ÖVP-Landeshauptmann war zuvor schon in einer eigenen Wahl gewählt worden). Wie das Wahlergebnis nach der Wahl 2021 aussieht steht noch nicht fest. Anhand der Grafik können Sie aber auch die Mandatsergebnisse der einzelnen Parteien variieren und sehen, welche Auswirkungen etwaige Gewinne und Verluste auf die Zusammensetzung der Landesregierung haben.
Hintergründe
Das Proporzsystem galt in den Nachkriegsjahrzehnten als stabilisierender Faktor, da alle zentralen Akteure gemeinsam an der politischen Macht beteiligt wurden und sich um einen Ausgleich der Interessen bemühen mussten. In der Praxis schließen heute zwei oder mehrere Parteien, die sich auf eine Mehrheit im Landtag stützen können, ein Arbeitsübereinkommen. Sie bestimmen die Verteilung der Ressorts und die Politikgestaltung. Jene Parteien, die nicht am Arbeitsübereinkommen beteiligt sind, sind in ihrer Machtausübung begrenzt und ihre Stimmen für Regierungsbeschlüsse nicht notwendig.
Proporz als Auslaufmodell
Neben Oberösterreich wird derzeit noch in Wien und in Niederösterreich nach dem Proporzsystem regiert. In Wien ist die rechtliche Situation speziell, da der Wiener Gemeinderat gleichzeitig der Wiener Landtag ist. Alle Parteien bekommen einen Regierungsposten, allerdings beschließt die Mehrheit, wer auch einen inhaltlichen Zuständigkeitsbereich erhält. Alle anderen Länder haben das Proporzsystem im Laufe der Geschichte abgeschafft. Vorarlberg setzte den Proporz bereits 1923 aus, Kärnten folgte als bislang letztes Bundesland 2017. Einen Druck zur Reform seitens der Bevölkerung verspürt man in Oberösterreich allerdings nicht: in einer Umfrage des Linzer Meinungsforschungsinstituts Spectra sprach sich eine Mehrheit der Oberösterreicher*innen für die Beibehaltung des derzeitigen Systems aus. Diese Zustimmung zur aktuellen Situation mag aber auch dem geringen Wissen geschuldet sein. In der gleichen Umfrage sagen knapp die Hälfte der Befragten, dass ihnen der Proporz als Regierungsform wenig bis gar nicht bewusst war.