Freiheit zu verkraften, muss man erst lernen

Dieses Land braucht endlich wieder Kultur, um dies nicht zu vergessen.

Freiheit ist ein schönes Wort. Im Jahr 2020 war es ein vielstrapaziertes Wort. Das dürfte sich 2021 verstärken, denn Freiheit basiert nicht nur auf Fakten, sondern auch auf Wahrnehmung. Letztere wird ununterbrochen beeinflusst von sozialen Zusammenhängen, Erziehung, Erfahrungen, Nachrichten, aber auch von Emotionen und von der Sehnsucht, geliebt und anerkannt zu werden. So ist Wahrnehmung nicht unbedingt an die Realität gebunden; genau so wenig wie die Wirklichkeit selbst.

Regierungen müssten sich weitaus mehr mit dieser fließenden Form der Wahrnehmung und den heiligen Begriffen der Bevölkerung auseinandersetzen. Freiheit ist solch ein Begriff. Kunst führt uns das seit Jahrhunderten in schönsten Formen vor.

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Der Tag X, der zurückführt, wird nicht kommen

Statt eines traurigen Jahresrückblicks sollten wir nach vorne schauen.

2020 hätte das Jahr der Umwelt werden können. Die Bewegungen gegen den Klimawandel waren kurz zuvor in der breiten Masse angekommen. Der zweite Faktor mit Potenzial war die Jugend. Sie nahm die Straßen ein für ein generelles Umdenken, was Umwelt, Konsum, Ernährung, Arbeitsbedingungen und Werte betrifft. Ihr Einfluss schien endlich zu steigen, doch dann kam alles anders.

Die Geschichte der Menschheit lehrt uns, dass wir nichts von ihr lernen. Oder? Die Pandemie hat die Welt nicht nur für ein Jahr in den Ausnahmezustand versetzt. Man kann sie auch als intensive Warnung verstehen.

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Warum die Pandemie keine Revolution hervorruft

Wenn andere rebellieren, zieht sich Österreich ins Biedermeier zurück.

„Mir reicht’s!“ oder „Jetzt sollten wir wirklich auf die Straße gehen“ sind Sprüche, die seit der Ankündigung des dritten Lockdowns häufig zu hören sind; auch von Personen, die sich politisch kaum als rebellisch einstufen würden. Die Analyse ist einfach: Die Bevölkerung mag nicht mehr. Die Pandemie dauert schon lange, zu viele Jobs sind verloren gegangen, noch viel mehr sind spätestens mit den neuen Maßnahmen in Gefahr. Die wirtschaftlichen Folgen der vielen strauchelnden Betriebe bilden den sichtbaren Teil der Krise, die psychischen Folgen hingegen spielen sich häufig hinter verschlossenen Türen ab. Zu Einsamkeit und Depression gesellt sich nun der Verlust von Hoffnung.

Und doch: Im Gegensatz zu anderen Ländern muss sich die österreichische Regierung nicht besonders davor fürchten, dass viele Menschen auf die Straße gehen oder tatsächlich rebelliert wird. Denn es gibt keine Tradition des politischen Widerstands. Dafür hat vor 200 Jahren Clemens Wenzel von Metternich gesorgt.

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2020 ist kein Jahr der Menschenrechte

Im Schatten der Pandemie bleibt die Gewalt meist unbeobachtet.

Früher nannte man es den CNN-Effekt, jenes Phänomen, dass Ereignisse, die nicht bei diesem Fernsehsender vorkamen, generell nicht wahrgenommen wurden. Das ging so weit, dass die internationale Gemeinschaft sich nicht darum kümmerte, humanitäre Hilfe ausblieb und ebensowenig Spendengelder gesammelt wurden. Was CNN nicht berichtete, blieb dem internationalen Blick meist verborgen.

Die aktuelle Pandemie hat diesen Effekt in anderer Weise wiederaufleben lassen, insbesondere was bewaffnete Konflikte und Menschenrechtsverletzungen betrifft. Im Schatten der Corona-Krise kann fast unbeobachtet gemordet, gefoltert, festgehalten und vertrieben werden.

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Demokratie, Freiheit und Transparenz

Die Demokratie denkt die anderen mit. Das unterscheidet sie von der Freiheit.

Um Nikolaus von Myra ranken sich Legenden, historisch nachweisbare Details und Erfundenes. Manches, von dem man weiß, dass es sich kaum so zugetragen haben kann, wird gerne geglaubt, weil es tröstend ist, dass ein Mensch andere beschützt, vorbehaltlos gut handelt und dennoch nicht unfehlbar ist. Ein Teil der Schönheit der Erzählungen rund um den heiliggesprochenen Nikolaus entspringt der Bedeutung seines altgriechischen Namens, der für „Sieg des Volkes“ steht. Allein dieser Name hat in einem Jahr, in dem der Bevölkerung außergewöhnliche Regeln aufgebürdet wurden, besondere Bedeutung, denn er erinnert an die Bedeutung von Demokratie als die Herrschaft des Volkes.

Die Demokratie denkt die anderen mit. Es gibt keine Demokratie nur für mich selbst. Mit wem will ein Eremit demokratisch agieren? Demokratie braucht eine Gruppe, eine Gemeinschaft, die Bevölkerung.

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Gewalt an Frauen ist kein Frauenproblem

Es ist ein Problem von allen. Jede fünfte Frau in Österreich ist betroffen.

Es gibt für alles einen Gedenk- oder Aktionstag, vom Welt-AIDS-Tag am 1. Dezember bis zum Weltkatzentag am 8. August, vom Tag des deutschen Schlagers bis zum Weltpastatag. Und jeweils gibt es Menschen, denen diese Tage wichtig sind, beruflich, aufgrund eines Hobbys oder aus einer Erfahrung heraus. Manche dieser Tage wurden eingeführt, um zu sensibilisieren, wie der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Doch es können noch so viele Gebäude an jenem Tag orange beleuchtet werden, wie alle Gedenktage, bleibt der Wille zunächst symbolisch.

Dann werden Statistiken publiziert und Medienberichte verfasst. Wie die Kommentare unter solchen Artikeln zeigen, funktioniert die Sensibilisierung nur bedingt, weil das Wesentlichste fehlt: Bildung. So heißt es dann, dass man selbst keinen einzigen Fall kenne, dass das Problem zu sehr breitgeschlagen werde und Migranten die Schuld für die schlechte Statistik trügen. All diese Kommentare liegen falsch – und das ist nachweisbar.

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Wenn die Freizeit ruft, muss die Solidarität warten

Die „Systemrelevanten“ sind noch immer im Schatten und brauchen mehr Dankbarkeit.

Für andere Menschen hingegen kann man nur dankbar sein. Dankbar dafür, dass es sie gibt und dass sie in der Pandemie das tun, was sie tun, auf die Art tun, wie sie es tun. Pflegepersonal, Ärztinnen und Ärzte, Reinigungspersonal, LKW-FahrerInnen, Supermarktangestellte; all jene, die in ihrem Beruf besonderer Ansteckungsgefahr oder verstärktem anderen Druck ausgeliefert sind, um dafür zu sorgen, dass der Großteil der Menschen gut durch diese Zeit kommt.

Im Frühling wurde für sie geklatscht. Was ist aus ihren Lohnerhöhungen geworden?

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Politik verlangt Bilder, die Nähe vermitteln

Hinter Plexiglas wohnt nur Distanz, kein glaubwürdiges Gefühl.

Glaubwürdigkeit hat in der Politik viel mit Bildern zu tun. Kein Wahlkampf ohne das Bad in der Menge, keine Naturkatastrophe ohne die Aufnahmen von Politikern, die sich vor Ort informieren und den Menschen Mut zusprechen. Kein Auftritt ohne vielfaches Händeschütteln, kein Krieg ohne Auftritte vor den Soldaten. Wahlkampf in einer Fabrik, auf dem Markt; nicht umsonst bewegen sich die Royals gerne in Altersheimen und Kindergärten. Heute bleibt nur eine vage Erinnerung. Politiker können eines der wesentlichsten Mittel in der Kommunikation mit der Bevölkerung nicht in Anspruch nehmen: Das Bild in der Menge, das unterstreichen soll, ich bin eine/r von euch.

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In jeder Krise gibt es Momente der Hoffnung

Man kann sich auch gegen Wut entscheiden. Das sieht man in Wien und Washington.

Nichts von alldem wird in kurzer Zeit ausgestanden oder verarbeitet sein. Als Gesellschaft haben wir die Wahl, wie wir der Herausforderung begegnen.

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Terrorismus will Ohnmacht erzeugen

Er gewinnt nur, wenn man als Reaktion Freiheiten, Ethik und Offenheit opfert.

Man fühlt sich so lange sicher, bis etwas geschieht, das die Gewissheiten des Alltags durcheinanderwirbelt. Das Jahr 2020 hat bereits viele solcher Selbstverständlichkeiten verändert. Immer wieder hieß es, man solle in der Krise zusammenhalten. Seit dem Abend des 2. November bekommt diese Aufforderung noch mehr Bedeutung, denn den Schock nach einem Terroranschlag kann man kaum alleine verarbeiten.

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