Was die Demokratie herausfordert

Autoritäre und rechtsextreme Aussagen erhalten in Österreich unterschiedlich viel Zustimmung, ein kleinzuredendes Randphänomen sind sie nicht.

Wenn man wissen möchte, wie die Bevölkerung zur Demokratie steht, dann kann man sie einfach danach fragen. So weit, so simpel – auch wenn die konkrete Umsetzung einer solchen Erhebung und die Einordnung der Daten nicht immer so simpel ist.

Ein anderer Zugang ist, die Einstellungen zu nicht-demokratischen Aussagen abzubilden: Wie stark werden diese befürwortet, wie sehr fordern sie das demokratische System heraus?

Entsprechende Fragen laufen etwa (aber nicht nur) unter dem Titel Autoritarismus. Inhaltlich umfasst der Begriff mehr als nur eine autoritäre Herrschaft – also die politische Machtausübung durch eine Einzelperson, die an keine Grenzen gebunden ist. Die in Deutschland seit 2002 (mit wechselndem Namen) durchgeführte Leipziger Autoritarismus-Studie baut beispielsweise im Kern auf rechtsextreme Einstellungen wie die Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus sowie Chauvinismus und Ausländerfeindlichkeit. Andere Aspekte wie eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit oder eine Verschwörungsmentalität spielen ebenfalls eine Rolle (Decker et al. 2020).

Daten für Deutschland und Österreich

Die jüngsten Daten stammen von 2020 und zeigen – für Deutschland – insgesamt stabile oder sogar rückläufige Anteile rechtsextremer Einstellungen, allerdings mit wiederkehrenden Ausschlägen im Kontext (subjektiv) wahrgenommener Krisen. Ebenso existiert ein messbarer Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland.

Für Österreich hat die siebte Welle des Demokratieradar einige der Fragen der deutschen Studie übernommen und versucht, den Ist-Stand hierzulande abzubilden. Vergleicht man die Zahlen, dann fällt erstens auf, dass die Zustimmung zwischen einzelnen Aussagen (deutlich) schwankt, und zweitens, dass der Anteil jener, die diesen Statements etwas abgewinnen können, in Österreich offenbar höher ist.

 

Zustimmung zu autoritären und rechtsextremen Aussagen in Österreich und Deutschland

Autoritäre Einstellungen Österreich

Anmerkung: Die Zustimmung wird auf einer fünfteiligen Skala gemessen: stimme voll und ganz zu, stimme überwiegend zu, stimme teils zu, teils nicht zu, lehne überwiegend ab und lehne völlig ab. Im Vergleich wird nur die so genannte „manifeste“ Zustimmung abgebildet, also die Antworten stimme voll und ganz zu und stimme überwiegend zu. Angaben in Prozent.

Demokratieradar Welle 7: n=4.574, Feldzeit März bis Mai 2021, österreichische Bevölkerung ab 14 Jahren. Leipziger Autoritarismus-Studie 2020: n=2.503, Feldzeit Mai bis Juni 2020, deutsche Bevölkerung ab 14 Jahren.

 

Die Zahlen sind nicht eins zu eins vergleichbar, da in Deutschland mit einer persönlichen schriftlichen Befragung eine andere Erhebungsmethode eingesetzt wurde als im Demokratieradar (telefonisch/online).

Wichtiger ist noch der zeitliche Abstand: Es liegt rund ein Jahr zwischen den deutschen und den österreichischen Zahlen und damit ein Jahr Pandemie. Dass diese – die Gesellschaft auf allen Ebenen betreffende – Krise Auswirkungen gehabt hat, ist nicht weit hergeholt. Es fehlen allerdings direkte Vergleichszahlen für Österreich aus dem Jahr 2020, über mögliche Veränderungen lässt sich damit nichts sagen.

Gegen einen Gewöhnungseffekt

Wie so oft bleibt die Frage der Einordnung: Keine der Aussagen erhält mehrheitlich Zustimmung. Wenn 14 Prozent die Führer-Aussage zumindest überwiegend bejahen, sind 86 Prozent – und damit die überragende Mehrheit – dagegen. Alles ok? Im Detail ist die Sichtweise verkürzt, da etwa die Mittelkategorie stimme teils zu, teils nicht zu auch als latente Akzeptanz der Aussage interpretiert werden kann. Das sind weitere zwölf Prozent. Der Demokratiemonitor von SORA kam 2020 ebenfalls auf 19 Prozent Zustimmung zu einem „Führer, der sich nicht um Wahlen und das Parlament kümmern muss“. Damit liegt das Potential für derartige autoritäre Sichtweisen wohl eher im Bereich von einem Fünftel.

Unabhängig von der konkreten Zahl sollte man sich zudem den deutschen Autor*innen anschließen, die in ihrer nunmehr zehnten Studie der Leipziger Reihe vor dem „Gewöhnungseffekt“ (Decker et al. 2020, 80) warnen, die jahrelang bestehende Zustimmung zu den Aussagen als gleichsam gegeben hinzunehmen. Vielmehr geht es darum, aktiv etwa mit politischer Bildung gegen solche Einstellungen aufzutreten, egal, wie wenige oder viele Menschen sie teilen. Das gilt für Deutschland ebenso wie für Österreich.

 

Decker, Oliver/Kiess, Johannes/Schuler, Julia/Handke, Barbara/Pickel, Gert/Brähler, Elmar (2020) Die Leipziger Autoritarismus Studie 2020: Methode, Ergebnisse und Langzeitverlauf, in Decker, Oliver/Brähler, Elmar (Hg.) Autoritäre Dynamiken. Neue Radikalität – alte Ressentiments. Leipziger Autoritarismus Studie 2020. Gießen, S. 27-87.