Soziale Medien: ein Gewinn für die Demokratie?

Die österreichischen Landtagsabgeordneten sehen in den sozialen Medien mehrheitlich einen wichtigen Bestandteil der modernen Demokratie. Gleichzeitig beklagen viele von Ihnen, dass soziale Medien die politische Debatte banalisieren und die Trennung von Berufs- und Privatleben erschweren. Die ADL-Abgeordnetenbefragung gibt erstmals einen Einblick in das Verhältnis der Landtagsabgeordneten zu den sozialen Medien Facebook, Instagram und Twitter. Was für Auswirkungen hat die politische Nutzung dieser Kanäle für die Bürger*innen?

Facebook als meist genutzter Kanal

Fast alle österreichischen Landtagsabgeordneten sind auf Facebook. Rund 90 Prozent haben nach eigenen Angaben einen persönlichen und/oder parteieigenen Account. Im Vergleich dazu sind es bei Instagram nur rund 46 Prozent und bei Twitter gar nur rund 33 Prozent der Landtagsabgeordneten. So unterschiedlich der Einsatz der verschiedenen Kanäle, so ist die Art der Nutzung ähnlich. Die Profile werden überwiegend im Rahmen der politischen Tätigkeit eingesetzt. Die Grenze zwischen Privat und Beruf kann der*die einzelne Abgeordnete aber wohl auch nicht mehr ziehen. Man stelle sich eine Landtagsabgeordnete vor, die ein Foto von sich und ihrem Hund auf Instagram teilt. Die ursprüngliche Absicht mag privater Natur gewesen sein, dass es ausschließlich so ankommt, hat sie nicht mehr in der Hand. Für uns Bürger*innen bieten die Accounts der Politiker*innen einen Einblick in deren Lebens- & Arbeitswelt. Gleichzeitig müssen wir darauf gefasst sein, dass wir politische Botschaften so ganz nebenbei zwischen den Nachrichten unserer Freund*innen serviert bekommen.

Intensive Nutzung, aber kaum Dialog

Mehrmals täglich oder zumindest einmal am Tag kontrollieren Landtagsabgeordnete, die soziale Medien nützen, die neuesten Nachrichten auf Facebook und Co. Eigene Beiträge werden hingegen deutlich seltener verfasst, aber zumindest mehrmals oder einmal in der Woche stellt man eigene Nachrichten auf Facebook oder Instagram, auf Twitter seltener. Das mag mit dem Grund der Verwendung der Plattformen zusammenhängen: Facebook verwenden 61 Prozent der auf dieser Plattform aktiven Landtagsabgeordneten, um andere über die eigene politische Arbeit zu informieren (bei Instagram sind das 57 Prozent), bei Twitter sagt eine Mehrheit von 55 Prozent, dass sie diese Plattform verwendet, um selbst nach interessanten Informationen zu suchen. Im Vordergrund stehen also je nach Plattform entweder die Information anderer über die politische Arbeit oder die eigene Informationssuche, nie allerdings die dritte Antwortoption bei dieser Frage „um mit anderen in Dialog zu treten“. Die Idee, dass soziale Medien einen direkten Austausch zwischen Bürger*innen und Landespolitiker*innen ermöglichen, scheint in der Realität nicht angekommen zu sein.

Typische*r Abgeordnete*r in den Soziale Medien

Unterschiede zwischen Geschlecht, Bildung oder Links-Rechts-Einstufung der Landtagsabgeordneten sind keine erklärenden Faktoren für eine häufige Nutzung der sozialen Medien. Gerade einmal mit steigendem Alter der Befragten nimmt die Wahrscheinlichkeit einer intensiven Nutzung signifikant ab. Das ist für die Bürger*innen insofern positiv, als dass sie die unterschiedlichsten Politiker*innen im Netz finden. Es ist allerdings möglich, dass bestimmte Unterschiede nicht durch die vorliegende Studie aufgedeckt werden können. Die Befragung wurde online durchgeführt, sodass computeraffine Personen und damit eventuell auch Personen, die sozialen Medien nicht abgeneigt sind, eher mitgemacht haben könnten. Dem widerspricht allerdings, dass ein Vergleich zwischen der sozialen Struktur der Landtagsabgeordneten insgesamt und der Teilnehmenden keine großen Unterschiede ergab.

Die ADL-Abgeordnetenbefragung im Detail

Im Rahmen der ADL-Abgeordnetenbefragung wurden die österreichischen Landtagsabgeordneten in zwei Schritten befragt. Zunächst wurden ausführliche Gespräche mit acht Abgeordneten unterschiedlicher Parteien und Länder geführt (Mai/Juni 2019). Anschließend wurde ein quantitativer Online-Fragebogen an alle Landtagsabgeordneten mit der Einladung zur Teilnahme verschickt (Herbst 2019/Jänner 2020). An der Befragung nahmen 228 Personen – das sind 52 Prozent – teil. Neben den Fragen zur Nutzung sozialer Medien wurden die Abgeordneten zum politischen System und dem Föderalismus, dem politischen Wettbewerb und der parlamentarischen Arbeit befragt. Die Studie wurde vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie durchgeführt. Weitere Ergebnisse sind hier abrufbar.