Sicherungshalt als Stellvertreterthema

Die aktuelle Diskussion über eine etwaige Sicherungshaft für potenziell gefährliche Asylwerber zeigt einmal mehr, dass es nur am Rande um geflüchtete Menschen oder um die Sicherheit in Österreich geht. Was steckt hinter der Diskussion?

Einige Gewalttaten zu Beginn des Jahres 2019 ließen einen Aufschrei durch die Öffentlichkeit gehen. So wurde der Schutz von Frauen plötzlich zum politischen Thema, nachdem vorher ein Jahr lang Projekte gegen Gewalt an Frauen und Frauenförderungsprojekte gestoppt worden waren. Ein Zeichen musste her. Die „Sicherungshaft für potenziell gefährliche Asylwerber“ kam schließlich in alle Munde, als am 6. Feber ein Beamter in Dornbirn getötet wurde.

Es folgten Diskussionen, die erstaunlich wenig hitzig ausfielen, da die einzige Oppositionspolitik von Neos und der Liste Jetzt kam, und beide von den innerparteilichen Turbulenzen der SPÖ übertönt wurden. So waren es eher JuristInnen, die klarmachten, dass eine solche Gesetzesänderung weder nötig noch umsetzbar sei, weil sie die Freiheitsrechte der Betroffenen zu sehr beschneiden würden.

Aktueller Letztstand ist somit, dass es in nächster Zeit keine sogenannte Sicherungshaft geben wird, weder für potenziell gefährliche AsylwerberInnen, noch für irgendwelche ÖsterreicherInnen. Dass die Diskussion dennoch nicht sofort verebbt ist, zeigt, dass andere Interessen hinter der Diskussion stecken.

Willkommenes Thema für einige SPÖ-Landesvertreter

Für die SPÖ scheint der Fall klar: Mit sozialdemokratischen Grundsätzen lässt sich eine Sicherungshaft, wie auch immer gestaltet, nicht rechtfertigen. Für einige ihrer  Landesvertreter bietet das Thema allerdings eine unwiderstehliche Versuchung: Erstens kommt man damit schnell in die Medien, weil eine sozialdemokratische Wortmeldung pro Sicherungshaft Verwunderung auslöst. Zweitens ist es eine gute Gelegenheit für jene, die sich lieber nach rechts als nach links bewegen, um eventuell FPÖ-WählerInnenstimmen zurückzuholen. Drittens bietet das Thema einmal mehr Gelegenheit, der aktuellen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner eines auszuwischen.

Diese Chance ließen sich der Burgenländer Hans Peter Doskozil und der Tiroler SPÖ-Politiker Georg Dornauer, zuletzt mit einem „Horizontalsager“ im sichtlichen Genuss des Rampenlichts, nicht entgehen (). Das Thema Sicherungshaft bot ihm vor seiner Wahl zum Tiroler Parteichef eine willkommene Bühne, obwohl er wusste, dass es kein SPÖ-Thema sein könne.

Andere Einschränkungen im Asylrecht im Schatten der Diskussion

Auch für Innenminister Herbert Kickl bleibt das Thema ein Gewinn. Falls es nie zu einer Sicherungshaft kommen wird, ist in seiner Argumentation entweder die Opposition oder die Europäische Union schuld. Wieder einmal aber gilt ein Prinzip, das die FPÖ seit Regierungsantritt mehrfach erfolgreich erprobt hat: Während sich alle auf ein Thema stürzen, wird stillschweigend ein anderes umgesetzt oder Unbequemes weggelobt.

Diesmal ist es die Umbenennung von Aufnahmezentren in „Ausreisezentren“. Es mag nur ein Name sein, doch er zeigt den geplanten Weg. Das tun auch die Ausgehverbote für AsylwerberInnen zwischen 22 und sechs Uhr. Menschen- und Freiheitsrechte sind für geflüchtete Menschen in Österreich nicht mehr nötig, weil man ohnehin keine Asylwerber wolle, zumal Österreich von „sicheren Drittenstaaten umgeben“ sei, so Innenminister Kickl.

Schon als in Deutschland vor einigen Jahren eine Präventivhaft diskutiert wurde, wurde dagegen argumentiert, dass es sich um eine Scheindebatte handle, die sicherheitspolitische Erwägungen gegen schwer erkämpfte Freiheitsrechte ausspiele. Damals schrieb der Menschenrechtsexperte Sebastian Müller: „Als Rechte, die in der Menschenwürde ihren Grund haben, lassen die Menschenrechte sich gerade nicht gegen sicherheitspolitische Erwägungen aufrechnen (…) Eine Politik strikter Achtung des menschenrechtlich verbürgten Freiheitsrechts stärkt auf lange Sicht die Handlungsfähigkeit eines Staates, da sie ihm die notwendige Glaubwürdigkeit und damit auch eine legitimierte Autorität verschafft.“. Gefordert ist die Bevölkerung, die sich selbst ein Bild malen muss, welchen Rechtsrahmen sie sich für die Zukunft ihrer Kinder wünscht.